Luftfahrtstandort Deutschland
Standortkosten senken, wettbewerbsfähig werden, Zukunftstechnologien fördern, Arbeitsplätze sichern!
Deutschland hat am 23. Februar 2025 einen neuen Bundestag gewählt. Jetzt stehen Koalitionsverhandlungen und Regierungsbildung an. Die neue Bundesregierung muss sehr schnell wesentliche Entscheidungen für den Luftfahrtstandort Deutschland treffen.
Die deutsche Luftfahrtbranche braucht eine neue Luftfahrtpolitik mit einem starken Bekenntnis der neuen Bundesregierung zu Luftfahrt „Made in Germany“. Die deutsche Luftfahrtbranche steht am Scheideweg: Ohne substanzielle Verbesserungen der Rahmenbedingungen droht ihr der Verlust der Anschlussfähigkeit an den globalen Wettbewerb.
Die Luftfahrtindustrie als strategische Schlüsselbranche, geprägt von Innovation und Hochtechnologie, nimmt weltweit eine Führungsrolle ein. Weitere Zukunftsinvestitionen in klimaschonende Technologien sind entscheidend für die Transformation und die Stärkung des Wirtschafts- und Hightech-Standortes Deutschland bei gleichzeitiger Erreichung der Klimaschutzziele.
Einseitig belastende europäische Klimaschutzpolitik, immer höhere deutsche Standortkosten, besorgniserregende geopolitische Entwicklungen und Sperrungen des russischen Luftraums für europäische Fluggesellschaften wirken sich zunehmend wettbewerbsverzerrend aus. Ohne deutliche Entlastungen bei Standortkosten und Bürokratie ist die Anbindung des Wirtschafts-, Logistik- und Tourismusstandortes Deutschland an die Welt in Gefahr.
Gleichzeitig muss die Bundesregierung die Luftfahrtbranche beim Klimaschutz entschlossen unterstützen und im internationalen Wettbewerb stärken. Gelingt dies nicht, drohen Arbeitsplätze, Wertschöpfung und technisches Know-how in Länder mit deutlich niedrigeren Umwelt- und Sozialstandards verlagert zu werden.
Der Luftverkehrsstandort Deutschland treibt Innovationen voran, ist nach einer aktuellen Studie von Oxford- Economics mit mehr als 1,5 Millionen Arbeitsplätzen (induziert 3,3 Prozent der deutschen Arbeitsplätze) ein Jobmotor und mit 140 Milliarden Euro Beitrag zum deutschen BIP (3,5 Prozent des deutschen BIP) ein unverzichtbarer Teil der Wirtschaftskraft und der Verkehrsinfrastruktur für die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt.
Zur Wiederbelebung des Luftfahrtstandortes Deutschland ist die deutliche Senkung der staatlichen Standortkosten unerlässlich. Diese haben sich seit 2019 nahezu verdoppelt. Allein im Jahr 2025 kommt zu den bisher ca. 3 Milliarden Euro über 1 Milliarde Euro hinzu. Bei einem typischen Mittelstreckenflug in ein anderes europäisches Land fallen staatliche Standortkosten von rund 4700 Euro an. Nur mit einer Halbierung dieser Kosten, etwa durch die Abschaffung der Luftverkehrsteuer, würde der Standort Deutschland seine Wettbewerbsfähigkeit wiedererlangen. Zur Stärkung des Wirtschafts- und Hightech-Standortes Deutschland bei gleichzeitiger Erreichung der Klimaschutzziele bedarf es zusätzlich einer Steigerung der Förderungen von Zukunftstechnologien.
Deutliche Entlastungen und mehr Zukunftsinvestitionen gehören auf die Tagesordnung der Bundesregierung.
Wettbewerbsfähigkeit der Luftfahrt in Deutschland und Europa
1. Deutliche Reduzierung der staatlichen Standortkosten durch Abschaffung der Luftverkehrsteuer oder deutliche Senkung der Luftverkehrsteuer plus Entlastung bei Luftsicherheitsgebühren und Flugsicherungsgebühren
Die Luftverkehrsteuer muss abgeschafft werden, um Investitionsmittel für Klimaschutzmaßnahmen freizusetzen und den Luftverkehrsstandort Deutschland zu stärken. Wenn keine Abschaffung erfolgt, muss die Luftverkehrsteuer zumindest gemäß dem Beschluss der Ministerpräsidenten- Konferenz vom 12. Dezember 2024 deutlich reduziert und mindestens auf das Niveau von 2011 zurückgeführt werden. Zusammen mit Entlastungen bei Luftsicherheits- und Flugsicherungsgebühren ergibt sich daraus ein unerlässlicher Hebel zur Wiederbelebung der Wettbewerbsfähigkeit der nationalen Luftfahrt.
- Entlastung bei den Luftsicherheitsgebühren: Luftsicherheit ist Terrorismus- und Gefahrenabwehr und damit eine klassische hoheitliche (Gemeinwohl-)Aufgabe. Über die Luftsicherheitsgebühren werden die Kosten zu über 95 Prozent an die Fluggesellschaften weitergegeben, allein seit 2019 haben sich die Luftsicherheitsgebühren pro Passagier verdoppelt. Es müssen zügig konkrete Regelungen zur Reduzierung der Gebühren, eine hälftige Übernahme der Kosten der Luftsicherheit durch den Bund und die zeitnahe Wiedereinführung der Deckelung der Luftsicherheitsgebühr auf 10 Euro pro Passagier auf den Weg gebracht werden.
- Entlastung bei den Flugsicherungsgebühren: Neben der Finanzierung pandemiebedingter Einnahmeausfälle der DFS muss der Bund fortan in die Finanzierung der Basiskosten der kritischen Infrastruktur Flugsicherung (sog. Kernaufgaben im allgemeinen Interesse) einsteigen.
2. Evaluierung und Reform des EU-Klimaschutzpaketes „Fit for 55“ für ambitionierte und wettbewerbsneutrale SAF-Quoten
Die deutsche Luftfahrtbranche steht zu den EU-SAF-Quoten, allerdings verzerrt die aktuell geltende EU-Klimagesetzgebung den Wettbewerb zulasten europäischer Airlines und verursacht Carbon Leakage. Um im Luftverkehr international faire Wettbewerbsbedingungen zu erreichen, bei gleichzeitiger Wahrung der Klimaschutzverpflichtungen der Luftfahrt, müssen schnellstmöglich bestehende Wettbewerbsverzerrungen zulasten europäischer Unternehmen in Folge der Quoten für nachhaltige Flugkraftstoffe (ReFuelEU Aviation) und im Emissionshandel (EU-ETS Aviation) abgebaut werden.
Die Einführung einer europäischen, endzielbezogenen und zweckgebundenen Klimaabgabe stellt eine Möglichkeit dar, Wettbewerbsverzerrungen auszugleichen, Carbon Leakage zu vermeiden und den Hochlauf nachhaltiger Flugkraftstoffe abzusichern und zu finanzieren.
Alternativ könnte eine SAF-Rebalancing-Gebühr eingeführt werden, die bei denjenigen Flugstrecken einen finanziellen Ausgleich vornimmt, die nicht der europäischen SAF-Quote unterliegen.
Dann muss die Zahl der Zertifikate im ETS zur Kompensation der Mehrkosten des Einsatzes von nachhaltigen Flugkraftstoffen (SAF Allowances bzw. FEETS) erhöht und die Regelung verlängert werden.
3. Abschaffung der nationalen Power-to-Liquid-Quote
Nationale Quoten können nur dann Bestand haben, wenn diese erfüllbar, europarechtskonform und nicht wettbewerbsverzerrend sind. Die nationale PtL-Quote in § 37a BImSchG ist europarechtswidrig und muss abgeschafft werden.
4. Bürokratieabbau
Deutschland fährt u. a. in den Bereichen Steuern und Zoll nationale Sonderwege, die Bürokratie schaffen und Wettbewerbsfähigkeit kosten. Die Bundesregierung und die Länder müssen ein Verrechnungsverfahren zur Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer einführen sowie die Zollabwicklung effizienter gestalten und digitalisieren. Zusätzlich muss endlich das Verfahren der Zuverlässigkeitsüberprüfungen harmonisiert werden.
Die Bundesregierung sollte sich auf europäischer Ebene für eine ambitioniertere Umsetzung des Bürokratieabbaus starkmachen, da die derzeit angestoßene Omnibus-Initiative sonst Gefahr läuft, ihre Wirkung zu verfehlen.
Klimaverträgliche Luftfahrt
1. Verstetigung der Fördermittel für die nationale Luftfahrt-Forschung
Für die nächste Generation von klimaverträglichen Luftfahrzeugen ist das Erreichen der Technologiereife bis 2030 erforderlich. Der klimaverträgliche Flugverkehr ist ein immenser technologischer Evolutionsschritt, an dem die deutsche Luftfahrtbranche entweder in führender Stellung teilnehmen wird – oder gar nicht. Der Quantensprung „klimaverträgliche Luftfahrt“ ist investitions- und zeitintensiv und benötigt weiter Fördermittel i. H. v. 400 Millionen Euro jährlich.
2. Unterstützung und Finanzierung des Markthochlaufs und der Produktion nachhaltiger Flugkraftstoffe (SAF)
Die ausreichende Verfügbarkeit von SAF zu wettbewerbsfähigen Preisen ist entscheidend für die Defossilisierung des Luftverkehrs, da die Luftfahrt keine Alternative zu SAF besitzt. Aktuell ist SAF jedoch deutlich teurer als konventioneller Flugkraftstoff und nicht in ausreichendem Umfang verfügbar. Die EU-Quote erhöht die Nachfrage, ohne in gleichem Maße die Ausweitung des Angebots zu gewährleisten. Daher sind politische Maßnahmen und langfristige Investitionssicherheit erforderlich, um den Markthochlauf der SAF-Produktion im industriellen Maßstab zu unterstützen. Die Bundesregierung sollte sich für eine ambitionierte Ausgestaltung der europäischen Förderlandschaft einsetzen, etwa im geplanten „Sustainable Transport Investment Plan“, und die europäischen Bemühungen mit nationalen Maßnahmen ergänzen. Ein Beispiel wären PtL-Doppelauktionen nach dem Vorbild von H2Global.
Ein weiteres geeignetes Instrument wären auch Steuergutschriften.
Für die Förderung des Markthochlaufs nachhaltiger Flugkraftstoffe (SAF) sowie für weitere Forschungs- und Technologieförderung sollten im verstärkten Maße Mittel des Sondervermögens genutzt werden, die in den Klima- und Transformationsfonds (KTF) fließen.
Zusätzlich zum Aufbau einer europäischen SAF-Infrastruktur sollte auch eine Flexibilisierung des SAF-Marktes angestrebt werden. Ein ambitioniertes „Book & Claim“-System könnte hier eine wichtige Rolle spielen. Um Investitionssicherheit zu schaffen, stehen wir zu den Quoten der ReFuelEU Verordnung für PtL und biogenes SAF auf aktuellem Niveau.
Darüber hinaus gilt es, die vom Arbeitskreis klimaneutrale Luftfahrt beschlossenen Maßnahmen der Arbeitsgruppe SAF umzusetzen.
3. Ausbau des Wasserstoff-Ökosystems
Die Luftfahrtindustrie arbeitet weiterhin an der Entwicklung der nächsten Generation emissionsärmerer, wasserstoffbetriebener Luftfahrzeuge, die das Potenzial haben, eine zentrale Rolle bei der Dekarbonisierung der Branche einzunehmen. Voraussetzung für die Inbetriebnahme eines Wasserstoffflugzeugs ist ein vorhandenes Wasserstoffökosystem für die Luftfahrt. Bereits heute muss mit der Planung und des Aufbaus des Ökosystems begonnen werden, das die Produktion von (grünem) Wasserstoff in erheblichen Mengen zu wettbewerbsfähigen Preisen, den Transport und die Wasserstoff-Betankungsinfrastruktur an Flughäfen umfasst. Die Anbindung der Flughäfen an das Wasserstoffkernnetz sowie die finanzielle Unterstützung der Luftverkehrsbranche beim Aufbau eines Wasserstoffökosystems müssen sichergestellt werden.
4. Dialog mit der Luftfahrtbranche
Die konstruktive inhaltliche Zusammenarbeit von Gewerkschaften, Wirtschaft, Bundesregierung und den Ländern sollte in einem Branchendialog Luftfahrt unter Beteiligung aller relevanten Ministerien und des Kanzleramtes sowie bei der Nationalen Luftfahrtkonferenz fortgeführt werden. Dazu sollte eine Bündelung und ressortübergreifende Koordinierung der Luft- und Raumfahrt in der Bundesregierung erfolgen. Gemeinsames Ziel muss die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Luftfahrt auf dem Weg zur Klimaneutralität sein.
