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14. Juli 2021
Klima- und Umweltschutz

Fitfor55: Deutsche Luftfahrt bekräftigt das Ziel eines CO2-neutralen Luftverkehrs und fordert wettbewerbsneutrale Instrumente

BDL fordert Nachbesserungen für einen wirksamen Carbon-Leakage-Schutz

Anlässlich der Vorstellung des Klimaschutzpakets durch die Europäische Kommission sagte Peter Gerber, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL):

„Die deutsche Luftverkehrswirtschaft bekennt sich klar zu dem Ziel, die CO2-Emissionen im Flugbetrieb und im Flughafenbetrieb schrittweise auf null zu reduzieren. Um dieses ambitionierte Ziel zu erreichen, haben wir bereits im vergangenen Jahr einen weitreichenden Maßnahmenplan zur ökologischen Modernisierung der Luftfahrt vereinbart und treiben diesen engagiert voran. Im Mittelpunkt stehen dabei die ökologische Flottenmodernisierung und der Systemwechsel hin zu strombasierten Power-to-Liquid- Kraftstoffen. Daneben braucht es auch geeignete Bepreisungs- und Regulierungsinstrumente. Mit den heute vorgelegten Gesetzesvorschlägen präsentiert die EU-Kommission ein sehr ambitioniertes Klimapaket für Europa. Vergeben wurde dabei jedoch die Chance, die Instrumente auch wettbewerbsneutral auszugestalten. Die vorgeschlagenen Maßnahmen sind nicht mit einem hinreichenden Carbon-Leakage-Schutz versehen und drohen deshalb, klimapolitisch ins Leere zu laufen. Sie schaden europäischen Fluggesellschaften und Flughäfen im Wettbewerb und führen wesentlich zu einer Verlagerung von Emissionen zu Wettbewerbern aus Drittstaaten.“

BDL-Präsident Peter Gerber

Die nun vorliegenden Vorschläge der Kommission bedürfen einer Überarbeitung an zentralen Stellen. Es ist nun am Europäischen Parlament und an den nationalen Regierungen im Europäischen Rat, den Entwurf nachzujustieren, damit die Rahmenbedingungen richtig gesetzt werden und das Maßnahmenpaket seine volle Wirkung für den Klimaschutz entfalten kann. Dort, wo Maßnahmen einseitig Verkehre verteuern, bei denen unsere europäischen Unternehmen im Wettbewerb mit Anbietern aus Drittstaaten stehen, braucht es dringend einen Ausgleich dieses Wettbewerbsnachteils, um ökonomische und ökologische Verwerfungen im Markt zu verhindern.

Sowohl der deutsche Luftverkehrsverband BDL als auch die europäischen Luftverkehrsverbände A4E und ACI hatten in den vergangenen Monaten eigene Vorschläge dazu entwickelt, wie sich wirksamer Klimaschutz ohne Verwerfungen im internationalen Wettbewerb erreichen lässt. „Umso bedauerlicher ist es, dass diese Vorschläge in dem Klimaschutzpaket der Kommission nur sehr unzureichend aufgenommen wurden“, sagte BDL-Präsident Gerber.

Bei der Bewertung der Maßnahmenvorschläge ist zwingend zu beachten, dass Luftverkehr ein Markt im Wettbewerb ist. Insbesondere im Langstreckenverkehr, in dem auch das Gros der CO2-Emissionen anfällt, ist der internationale Wettbewerb sehr intensiv. In diesem Segment wird Luftverkehr vor allem über internationale Luftverkehrsdrehkreuze und die dort beheimateten Netzwerkfluggesellschaften abgewickelt: Diese bündeln mit Zubringerflügen in den Drehkreuzen Passagiere für ihre Langstreckenflüge, was ökonomisch wie ökologisch sinnvoll ist. Für eine Reise von Hamburg nach Bangkok können Reisende also mit einer deutschen Fluggesellschaft über Frankfurt oder München fliegen, sie können aber auch mit einer Fluggesellschaft, die nicht den europäischen Regelungen unterliegt, über London, Istanbul oder den Golf fliegen. In diesem internationalen System von miteinander im Wettbewerb stehenden Luftverkehrsdrehkreuzen können Instrumente zur CO2-Bepreisung nur dann wirksam sein, wenn sie wettbewerbsneutral ausgestaltet sind. Wenn sie hingegen einseitig Reisewege über EU-Drehkreuze verteuern, dann folgt daraus fast automatisch Carbon Leakage: Emissionen werden nicht reduziert, sondern lediglich von EU-Anbietern an Wettbewerber aus Drittstaaten verschoben, allen voran aus Dubai, Doha, Istanbul und London.

Zu den Vorschlägen der Kommission im Einzelnen:

Zum Vorschlag einer europäischen Beimischungsquote für alternative Kraftstoffe:

Wir begrüßen, dass die Kommission mit ihrem Vorschlag ein klares Bekenntnis zur Förderung alternativer Kraftstoffe und vor allem zu nachhaltigem synthetischen Kraftstoff auf Basis erneuerbarer Energien abgibt. Der Systemwechsel vom fossilen Kerosin hin zu nachhaltigen Kraftstoffen ist das wichtigste Instrument auf dem Weg zum CO2-neutralen Fliegen.

Damit der Systemwechsel gelingt, müssen jedoch zwei Bedingungen erfüllt sein: Zum einen müssen die Kraftstoffe in ausreichender Menge produziert werden und zum anderen braucht es vor dem Hintergrund der deutlich höheren Kosten Regelungen für einen raschen und für alle Marktteilnehmer fairen Markthochlauf. Hierbei können auch Beimischungsquoten eine Rolle spielen. Wirksam für den Klimaschutz sind diese allerdings nur dann, wenn sie wettbewerbsneutral eingeführt werden. In Deutschland ist es im Schulterschluss von Bund, Ländern und Industrie gelungen, eine Power-to-Liquid- Roadmap für den Markthochlauf von strombasierten Kraftstoffen zu vereinbaren. Darin sichert der deutsche Staat zu, dass den Fluggesellschaften durch die Vereinbarung von Mindestabnahmen keine Wettbewerbsnachteile entstehen sollen.

Die Europäische Kommission schlägt nun eine europaweit geltende Quote für alternative Kraftstoffe und eine Unterquote speziell für Power-to-Liquid-Kraftstoffe vor. Das ist gut und richtig. Dafür braucht es auch auf europäischer Ebene einen wettbewerbsneutralisierenden Mechanismus zur Finanzierung, damit ambitionierte Quotenregelungen keine wirtschaftlichen Verwerfungen und Carbon Leakage zur Folge haben. In dem jetzt vorliegenden Vorschlag ist dies nicht gewährleistet: Auf der Verbindung von Hamburg über München nach Bangkok muss eine europäische Fluggesellschaft für drei Flüge den deutlich teureren Treibstoff einkaufen (Hamburg-München, München-Bangkok und München-Hamburg auf der Rückreise), während z.B. eine türkische Fluggesellschaft nur für den Flug Hamburg-Istanbul den teureren Treibstoff einkaufen müsste und die Tankmenge in der Union auch noch reduzieren könnte, indem sie auf dem Hinflug nach Deutschland billigeres herkömmliches Kerosin mitführt (sogenanntes Tankering). Der Vorschlag der EU-Kommission, ein solches Tankering durch eine Mindesttankmenge in der Europäischen Union zu unterbinden, wirft die Frage auf, wie dies politisch und rechtlich gegenüber Drittstaaten und ihren Fluggesellschaften umgesetzt werden soll.

Aus rein praktischen Gründen kann es zu Beginn des Markthochlaufs erforderlich sein, den alternativen Flugkraftstoff nur dort anzubieten, wo er auch tatsächlich vertankt werden kann und dies durch ein EU-weites Verrechnungssystem (Book & Claim-System) zu verbuchen. Dies sieht der Kommissionsvorschlag bislang nicht vor, sollte aber im Sinne einer erfolgreichen Einführung der alternativen Kraftstoffe noch ergänzt werden.

Zum Vorschlag einer europäischen Kerosinsteuer:

Mit dem Europäischen Emissionshandel, der internationalen Klimaschutzabgabe CORSIA und nationalen Ticketabgaben wie der deutschen Luftverkehrsteuer wird CO2 im Luftverkehr bereits umfassend bepreist. Eine zusätzlich erhobene europäische Kerosinsteuer, deren Mindestbeträge nochmals angehoben wurden, hätte im Interkontinentalverkehr massive Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten der europäischen Unternehmen zur Folge: Da lediglich Flüge innerhalb der EU besteuert würden, müssten europäische Fluggesellschaften für Zubringerflüge in ihre Luftverkehrsdrehkreuze Kerosinsteuer zahlen (also für den Flug Hamburg-München), nicht-europäische Fluggesellschaften müssten dies für Zubringer in ihre Drehkreuzflughäfen nicht (also für den Flug Hamburg-Istanbul) und könnten ihre Flugverbindungen billiger anbieten: Aufgrund des starken Wettbewerbs würde die Steuer Emissionen im Umsteigerverkehr nicht reduzieren, sondern lediglich verschieben (Carbon Leakage). Die geplante stufenweise Einführung verhindert leider nicht diese wesentliche Wettbewerbsverzerrung.

Hinzu kommt: Die Einnahmen aus einer Kerosinsteuer können nicht zweckgebunden eingesetzt werden, daher entzieht die Steuer den europäischen Unternehmen die Finanzmittel, die sie für Investitionen in die ökologische Flottenerneuerung benötigen. Falls die Pläne so umgesetzt werden, dann existieren mit dem Europäischen Emissionshandel, CORSIA, nationalen Ticketsteuern und der angedachten Kerosinsteuer gleich vier Instrumente für die CO2-Bepreisung im Luftverkehr. Diese stehen weitgehend unverbunden nebeneinander und sind nicht aufeinander abgestimmt. Zudem werden die Einnahmen aus diesen Instrumenten nicht gezielt für Investitionen für die ökologische Modernisierung des Luftverkehrs aufgewandt.

Zum Vorschlag der Verschärfung des Europäischen Emissionshandels:

Als marktbasiertes System ist der Emissionshandel grundsätzlich ein geeignetes Mittel, um CO2-Emissionen verlässlich zu reduzieren. Der innereuropäische Luftverkehr ist bereits seit 2012 in den Europäischen Emissionshandel einbezogen. Mit dem Instrument wird der CO2-Ausstoß der einbezogenen Sektoren kontinuierlich abgesenkt.

Doch schon in der jetzigen Form benachteiligt der Emissionshandel die europäischen Fluggesellschaften: Innereuropäische Zubringerflüge (also der Flug Hamburg-München auf der Umsteigeverbindung nach Bangkok) werden verteuert, während Zubringerverbindungen zu Drehkreuzen in Drittstaaten nicht einbezogen sind (etwa der Flug Hamburg- Istanbul auf der Umsteigeverbindung nach Bangkok). Der Kommissionsvorschlag, die frei zugeteilten Zertifikate im Luftverkehr nun bis 2026 schrittweise zu streichen. Um dies abzumildern, sollten Mehrbelastungen im Umsteigeverkehr, die aus dem rein europäischen Geltungsbereich des Emissionshandels erwachsen, stattdessen ausgeglichen werden.

Die deutsche Luftverkehrswirtschaft begrüßt, dass der Vorschlag eine Regelung umfasst, die eine Doppelbelastung durch das globale Kompensationsinstrument CORSIA und den Europäischen Emissionshandel ausschließen soll. Für Flüge innerhalb der Union soll der Emissionshandel gelten, für Flüge mit Drittstaaten soll CORSIA gelten.

Die Erfahrung zeigt, dass neue Steuern und Abgaben extreme Billigpreise im Luftverkehr nicht verhindern. Die deutsche Luftverkehrswirtschaft teilt die Auffassung, dass Ticketpreise von zum Beispiel 9,99 Euro weder wirtschaftlich noch ökologisch sinnvoll sind. Schließlich brauchen die Fluggesellschaften Gewinne für Investitionen in die ökologische Erneuerung der Flugzeugflotten. Wer solche Billigpreise verhindern will, erreicht dies aber nicht durch neue Steuern und Abgaben, sondern muss stattdessen regulierend in die Preisfestsetzung eingreifen – zum Beispiel so, wie es die Bundesregierung in den Eckpunkten zum Klimaschutzprogramm 2030 im Oktober 2019 eigentlich beschlossen, aber nicht umgesetzt hat.

Hierzu BDL-Präsident Gerber: „Flugreisen, die nur aufgrund extremer Billigstpreise angetreten werden, sind nicht im Sinne des Klimaschutzes. Um solche Preise zu unterbinden, braucht es keine neuen wettbewerbsverzerrenden Steuern und Abgaben, sondern eine Anti-Dumping-Regelung auf europäischer Ebene. Flugtickets sollten nicht zu einem Preis unterhalb der anwendbaren Steuern, Zuschläge, Entgelte und Gebühren verkauft werden dürfen.“