Europa treibt das Wachstum im weltweiten Luftverkehr an
Deutsche Fluggesellschaften und Flughäfen verlieren weiter Marktanteile
Das beschleunigte globale Wirtschaftswachstum im vergangenen Jahr kommt auch im Luftverkehr an: Insgesamt wuchs die weltweite Luftfahrt im Jahr 2017 um 7,6 Prozent. Besonders stark war das Wachstum in Europa, wo der Luftverkehr um 8,2 Prozent zulegen konnte. Auch die deutschen Unternehmen konnten Wachstum aufweisen: Die deutschen Flughäfen begrüßten 2017 insgesamt 5,2 Prozent mehr Fluggäste (ankommende und abfliegende Passagiere), die deutschen Fluggesellschaften konnten ihre Verkehrsleistung um 3,1 Prozent steigern. Ohne die Air Berlin-Insolvenz läge das Wachstum der Fluggesellschaften bei rund 5 Prozent.
„Zum ersten Mal seit Jahren wächst der europäische Luftverkehr stärker als der weltweite Durchschnitt. Wir begrüßen, dass auch die deutschen Fluggesellschaften und Flughäfen an diesem Wachstum teilhaben. Aber die im europäischen Vergleich erneut unterdurchschnittliche Wachstumsdynamik ist ein Beleg für strukturelle Benachteiligungen, die in Deutschland vom Gesetzgeber hausgemacht sind.“
BDL-Hauptgeschäftsführer Matthias von Randow
Zu der heute vorgelegten Jahresbilanz 2017 sagte Matthias von Randow, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL): „Zum ersten Mal seit Jahren wächst der europäische Luftverkehr stärker als der weltweite Durchschnitt. Wir begrüßen, dass auch die deutschen Fluggesellschaften und Flughäfen an diesem Wachstum teilhaben. Aber die im europäischen Vergleich erneut unterdurchschnittliche Wachstumsdynamik ist ein Beleg für strukturelle Benachteiligungen, die in Deutschland vom Gesetzgeber hausgemacht sind. Mit der Bildung der neuen Bundesregierung besteht die Chance, diese Sonderbelastungen abzubauen. Dazu gehören der nationale Alleingang bei der Luftverkehrsteuer, die Sonderbelastung bei den Luftsicherheitskosten und die massiven Betriebsbeschränkungen an unseren Flughäfen.“
Beim Angebot auf dem deutschen Luftverkehrsmarkt ist infolge der Air Berlin-Insolvenz im vierten Quartal 2017 kurzfristig eine Kapazitätslücke entstanden. Allein im innerdeutschen Luftverkehr wurden im Dezember 1,2 Mio. Sitze weniger angeboten als noch im Oktober. Dieser Kapazitätsrückgang war jedoch vorübergehend: Gegenwärtig füllen Fluggesellschaften aus dem In- und Ausland die entstandene Lücke sukzessive auf. Bereits bis März des laufenden Jahres werden 97 Prozent des Rückgangs im innerdeutschen Verkehr durch andere Anbieter kompensiert sein. Und erste Ankündigungen für den Sommerflugplan zeigen, dass der Kapazitätsaufbau perspektivisch weitergehen wird.
Zur Entwicklung der Marktanteile sagte von Randow: „In Deutschland haben wir leistungsstarke Fluggesellschaften und Flughäfen, das ist wichtig für die Verbraucher und für die Anbindungsqualität des Wirtschaftsstandorts. Doch deutsche Fluggesellschaften haben an den hiesigen Flughäfen Marktanteile verloren – insgesamt 7 Prozent in sieben Jahren. Das ist ein Weckruf für die Politik: Wenn Politik wieder für wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen sorgt, dann könnte sich die Leistungskraft unserer Unternehmen auch wieder in wachsenden Marktanteilen niederschlagen. Mit dem Luftverkehrskonzept des Bundesverkehrsministeriums liegen bereits umsetzungsfähige Vorschläge vor.“
Die Ergebnisse der Jahresbilanz 2017 im Einzelnen:
- Fluggesellschaften: Der weltweite Passagierluftverkehr wuchs 2017 um insgesamt 7,6 Prozent (gegenüber 6,3 Prozent im Vorjahr). Bemerkenswert ist vor allem der starke Wachstumsschub im europäischen Luftverkehr – mit 8,2 Prozent Wachstum konnte Europa im vergangenen Jahr sogar am Nahen Osten vorbeiziehen. Die deutschen Fluggesellschaften konnten hingegen lediglich ein Wachstum von 3,1 Prozent verzeichnen. Dies ist nur zum Teil auf die Insolvenz von Air Berlin und dem damit einhergehenden Kapazitätseinbruch in der zweiten Jahreshälfte zurückzuführen. Wäre die Air Berlin nicht insolvent gegangen, wäre das Wachstum der deutschen Fluggesellschaften also höher ausgefallen (rund 5 Prozent), hätte aber trotzdem deutlich unter dem weltweiten und vor allem unter dem europäischen Wachstum gelegen.
- Flughäfen: Die deutschen Flughäfen begrüßten im Jahr 2017 rund 235 Millionen an- und abreisende Fluggäste und damit 5,2 Prozent mehr Passagiere als im Vorjahr. Das Wachstum an den deutschen Flughäfen hat also deutlich Fahrt aufgenommen (2016 waren es 3,4 Prozent). Allerdings zeigt sich auch bei den Passagierzahlen an den Flughäfen, dass der deutsche Luftverkehr im europäischen Vergleich leicht unterproportional gewachsen ist, denn der europäische Schnitt lag bei 8,8 Prozent. Im Hinblick auf die einzelnen Verkehrssegmente verlief die Entwicklung unterschiedlich: Während der internationale Verkehr an den deutschen Flughäfen gute Wachstumsraten verzeichnen konnte, stagnierte der innerdeutsche Verkehr.
- Flugsicherung: Im Jahr 2017 wurden über 3,2 Millionen Flüge im deutschen Luftraum gezählt, das entspricht einer Steigerung um 3,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Damit wurde erneut in einem der komplexesten und kompliziertesten Lufträume weltweit das konstant hohe Sicherheitsniveau gehalten. Insgesamt hat sich die Zahl der durch die DFS kontrollierten Flüge seit 2013 um 9,7 Prozent erhöht.
- Marktanteile: Das Wachstum an deutschen Flughäfen wird nicht ausschließlich, aber ganz wesentlich von ausländischen Fluggesellschaften getrieben. Obwohl auch manche deutsche Unternehmen gute Wachstumsraten verzeichnen (wie etwa Eurowings), verlieren die deutschen Fluggesellschaften unter dem Strich Marktanteile, während ausländische Fluggesellschaften Kapazitäten aufbauen und ihre Position im deutschen Markt stärken. Mit der Insolvenz der Air Berlin hat sich dieser Verlust von Marktanteilen noch einmal verschärft: Seit 2011 ist der Marktanteil der deutschen Fluggesellschaften an hiesigen Flughäfen von 62 Prozent auf 55 Prozent gesunken.
- Low Cost: Das Wachstum an den deutschen Flughäfen wird vor allem vom Low-Cost-Segment getrieben. So nahmen die Low-Cost-Verkehre seit 2011 um 187 Prozent zu, was den Wettbewerb im Markt weiter intensiviert. Im gleichen Zeitraum haben europäische Netzwerk-Fluggesellschaften ihr Flugangebot um 19 Prozent reduziert, u.a. weil sie Flüge auf eigene Low-Cost-Plattformen verlagert haben, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Diese Tendenz wird sich voraussichtlich weiter verstärken – zum einen weil die Kapazitätslücke, die durch die Air Berlin-Insolvenz entstanden ist, zurzeit vor allem mit Low-Cost-Angeboten aufgefüllt wird; zum anderen, weil Low-Cost-Verkehre auch im Langstreckenmarkt eine immer größere Rolle spielen.
- Marktkonsolidierung: Die Insolvenz von Air Berlin hat zu einer vorübergehenden Reduzierung des Angebots im deutschen Luftverkehr geführt. Im innerdeutschen Luftverkehr reduzierten sich die angebotenen Sitze zwischen Oktober und Dezember um 21 Prozent. Seit Januar wird diese Kapazitätslücke sukzessive wieder gefüllt: So zeigen die Flugplandaten für den verbleibenden Winterflugplan, dass bereits bis März dieses Jahres 97 Prozent der Kapazitätslücke im innerdeutschen Flugverkehr wieder geschlossen sind. Für den Sommerflugplan ab Ende März sind weitere Ausweitungen des innerdeutschen Flugverkehrs angekündigt, so dass damit zu rechnen ist, dass die durch die Insolvenz weggefallenen Kapazitäten bis Mitte des Jahres überkompensiert werden. Auch jenseits der Air Berlin-Insolvenz ist die Konsolidierung im europäischen Luftverkehrsmarkt weiter vorangeschritten, u.a. durch den Marktaustritt des britischen Unternehmens Monarch Airlines: 2016 lag der Marktanteil der fünf größten europäischen Luftfahrtunternehmen im innereuropäischen Verkehr bei 63 Prozent, 2017 lag er bei 64 Prozent (zum Vergleich: In den USA vereinen die Top 5-Luftfahrtunternehmen 85 Prozent Marktanteil auf sich).
- Luftfracht: Im Luftfrachtverkehr hält die positive Entwicklung weiter an. So wurden weltweit im vergangenen Jahr 9,0 Prozent mehr Fracht transportiert, und die Auslastung der Flugzeuge verbesserte sich auf rund 45,5 Prozent. Treiber dieser Entwicklung waren vor allem das steigende globale Wirtschaftswachstum, eine gute Verbraucherstimmung sowie der global weiter wachsende Onlinehandel.