Leipziger Statement für die Zukunft der Luftfahrt

Die Luftfahrt leistet einen wichtigen Beitrag zur Mobilität, zur wirtschaftlichen Entwicklung, zum technologischen Fortschritt, zur Integration und zum Zusammenwachsen Europas und der Welt. Mit neuen Mobilitätskonzepten wird sich auch die Luftfahrt verändern. Luftfahrt bleibt ein wesentlicher Faktor für den künftigen Wohlstand unserer global vernetzten Volkswirtschaft.

Die Luftfahrt sichert Einkommen und Beschäftigung. Rund 850.000 Arbeitsplätze tragen direkt und indirekt dazu bei, eine Wertschöpfung in Höhe von über 60 Mrd. Euro in Deutschland zu schaffen und zu erhalten. Dies ist auch Ergebnis der erfolgreichen Industriepolitik zum Aufbau einer europäischen Luftfahrtindustrie.

Mit wachsendem Wohlstand nehmen weltweit die Nachfrage nach Luftverkehr und damit auch die Auslastung der Infrastruktur und des Luftraums stetig zu. Gleichzeitig steht die Luftfahrt vor der großen Herausforderung, die Auswirkungen wachsenden Flugverkehrs auf Mensch und Umwelt zu minimieren und einen angemessenen Beitrag zur Erreichung der Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens zu leisten. Ebenso dürfen Arbeits-, Sozial- und Sicherheitsstandards nicht unterminiert werden.

Wir begreifen die aktuellen Herausforderungen als Chance, um in Technologie und Forschung Vorreiter zu sein und ökologische Maßstäbe zu setzen. Wir wollen in führender Position zur Entwicklung neuer Technologien und Maßnahmen für Umwelt- und Klimaschutz beitragen, gerade auch mit dem Ziel eines CO2-neutralen Fliegens. Den Luftfahrtstandort Deutschland und die Arbeitsplätze in der Luftfahrt wollen wir nachhaltig sichern und stärken. Wir stellen uns neuen Märkten und entwickeln neue Geschäftsmodelle.

Hierzu haben wir Handlungsfelder definiert:

Ökoeffizienz für die Zukunft der Luftfahrt

Angesichts der wirtschaftlichen Bedeutung und der weltweit steigenden Nachfrage nach Luftverkehr gehört die nachhaltige Ausgestaltung der Mobilität zu den zentralen Aufgaben der Luftfahrtpolitik.

Um nachhaltige Lösungen zu ermöglichen und messbare Erfolge für den Klimaschutz zu erzielen, bedarf es aufgrund der Internationalität des Luftverkehrs weltweit abgestimmter Maßnahmen: Seit 2012 ist der Luftverkehr in den Europäischen Emissionshandel (EU-ETS) einbezogen. Der inländische und europäische Luftverkehr sind damit Teil eines marktgerechten Instruments zur Reduktion der CO2-Emissionen. Ab 2020 soll auch der weltweite internationale Luftverkehr durch das globale Kompensationssystem CORSIA (Carbon Offsetting and Reduction Scheme for International Aviation) CO2-neutral wachsen. Wir unterstützen CORSIA als Klimaschutzinstrument für den internationalen Luftverkehr.

Die Bundesregierung fördert die Entwicklung neuer Antriebsformen sowie weiterer umweltschonender Flugzeugtechnologien im Rahmen des Luftfahrtforschungsprogramms und wird dieses im Hinblick auf eine Förderung emissionsärmerer, energieeffizienterer und leiserer Flugzeuge und Flugverfahren ausbauen.

Wir wollen angesichts der hohen Anforderungen der Luftfahrt an Gewichtsreduktion, Präzision und Belastbarkeit den Leichtbau gepaart mit neuen Designprinzipien (Bionisches Design) als wesentliches Kompetenzfeld des Luftfahrtstandorts Deutschland etablieren.

Die deutschen Flugzeug- und Triebwerkhersteller und ihre Zulieferer werden ihrerseits weiterhin in die Entwicklung neuer Technologien investieren. Sie können ihre Marktposition nur dann erhalten, wenn die hochqualifizierten Beschäftigten weiterhin Innovationen entwickeln, die in Produkte der Spitzentechnologie und damit in Markterfolge umgesetzt werden. Der Klima- und Umweltschutz werden fest verankert.

Wir stehen in einem offenen Dialog über Perspektiven und Strategien für einen klimaschonenden Luftverkehr. Über unseren Beitrag für einen nachhaltigen Luftverkehr wollen wir im internationalen Kontext im kommenden Jahr sowohl auf dem „Forum Klimaschutz“ der Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung (ILA) Berlin als auch auf dem „Berlin Aviation Summit 2020“ berichten.

Michael Kretschmer und Andreas Scheuer präsentieren das Leipziger Statement

Perspektive: Elektrisches und hybrid-elektrisches Fliegen, alternative Kraftstoffe

Unser Ziel bleibt das CO2-neutrale Fliegen. Elektrisches und hybrid-elektrisches Fliegen sowie die wettbewerbsfähige Einführung alternativer Kraftstoffe sind zentrale Elemente strategischer Industriepolitik.

Die nötigen Technologien für elektrisches und hybrid-elektrisches Fliegen müssen heute vorbereitet werden, um rechtzeitig für die nächste Generation von Kurz- und Mittelstreckenflugzeugen verfügbar zu sein. Wir werden die Arbeit an diesem Zukunftsthema prioritär begleiten und vorantreiben.

Um das ambitionierte Ziel des CO2-neutralen Fliegens zu erreichen, ist der Einsatz von alternativen nachhaltigen Kraftstoffen – insbesondere synthetischen Power-to-Liquid (PtL)-Kraftstoffen – erforderlich. Wir wollen die marktfähige Entwicklung von PtL-Kraftstoffen fördern. Hierzu müssen Energiewirtschaft, Anlagenbauer, Luftfahrtindustrie, Luftverkehrsunternehmen, Bund und Länder eine PtL-Roadmap definieren und gemeinsam umsetzen. Wir werden eine entsprechende industriepolitische Initiative der Europäischen Union initiieren.

Automatisierung und Digitale Innovation

Die weitere Digitalisierung von Flugzeug und Luftraum hat das Potenzial, die Effektivität, Kundenfreundlichkeit und Sicherheit der Luftfahrt nochmal deutlich zu steigern. Neue digitale Betriebsverfahren sind zugleich ein Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz.

Die Passagier- und Frachtströme an Flughäfen können durch die Digitalisierung der Prozesse beschleunigt werden. Dies betrifft z.B. auch die systematische Nutzung von „BigData“ aus den Luftfahrzeug-Betriebsdaten in Verbindung mit modernen Logistikkonzepten zur Optimierung von Wartungskosten und -zeiten.

Auch in der Luftfahrtindustrie ermöglichen digitale Innovationen die Steigerung von Effizienz und Produktivität entlang des gesamten Lebenszyklusses eines Produkts. Digitale Produktzwillinge, prädiktive/vorausschauende Wartungsintervalle oder simulierte Testflüge sind digitale Technologien, die den effizienteren Einsatz von Ressourcen im Flugzeugbau und -betrieb fördern und damit letztlich auch dem nachhaltigen Umweltschutz helfen.

Der Luftraum soll mit Hilfe digitaler Innovationen effizienter genutzt werden, um Kapazitäten für den steigenden Luftverkehr zu schaffen. Dazu muss der europäische Regulierungsrahmen für den „Einheitlichen Europäischen Luftraum“ (Single European Sky, SES) überarbeitet werden. Ziel ist eine Steigerung der Flugsicherungskapazitäten durch eine Neujustierung des Regulierungssystems (bessere Wirksamkeit) und die Unterstützung der Einführung neuer Technologien zur Erleichterung der Flugverkehrskontrolltätigkeit.

Die Optimierung von Flugwegen hilft, Treibstoff und Emissionen einzusparen. Eine planbare direktere und kürzere Flugführung führt zu einer Steigerung der Kapazität und zudem zu einer zusätzlichen Verringerung der Umwelt- und Klimaauswirkungen des Luftverkehrs. Zur Optimierung soll auch die Etablierung lärmarmer An- und Abflugverfahren, die auf die jeweilige Flughafensituation zugeschnitten sind, erleichtert und ausgeweitet werden.

Wir setzen uns ein, für eine grenzüberschreitende Kooperation der nationalen Flugsicherungsorganisationen, mehr Automatisierung zur Unterstützung der Lotsentätigkeit und mehr Flexibilität beim Lotseneinsatz. Die Bundesregierung wird die deutsche EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2020 zum Anlass nehmen, sich aktiv für eine Weiterentwicklung des regulativen Rahmens für den einheitlichen europäischen Luftraum einzusetzen.

Gruppenbild mit Kanzlerin Dr. Angela Merkel

Neue Mobilität, Drohnen und Urban Air Mobility

Unbemannte Systeme und Flugtaxis können einen Beitrag für den umweltfreundlichen Mobilitätsmix der Zukunft leisten. Daneben eröffnen sich Möglichkeiten im Bereich ziviler Drohnentechnologien – gerade auch für StartUps, kleine und mittelständische Unternehmen. Drohnen sind ein weltweiter Zukunftsmarkt mit der Chance, weltweit bei Industrie und Anwendern tausende Arbeitsplätze zu schaffen.

Hierbei wird auch der Staat als Referenz- und Leitanwender entscheidende Impulse für die Durchsetzung neuer Technologien und innovativer Drohnenanwendungen setzen.

Die Drone-Economy benötigt eindeutige Rahmenbedingungen: Die Bundesregierung wird gemein-sam mit den Bundesländern zeitnah die Voraussetzungen für die Anwendung der neuen EU-Drohnenverordnungen schaffen.

Wir wollen klare Regeln für die Zulassung, den Betrieb und die sichere Integration von Drohnen in den Luftraum. Wir regeln die Erprobung innovativer Mobilitätskonzepte in Testgebieten. Wir nutzen die jahrzehntelange Erfahrung der bemannten Luftfahrt für die Ausgestaltung autonomer Systeme.

Es ist unser Ziel sicherzustellen, dass es im Umfeld der Verkehrsflughäfen nicht zu einer Beeinträchtigung des Luftverkehrs kommt. In diesem Sinne arbeiten Behörden, Flugsicherung, Flughafenbetreiber und Luftverkehrsunternehmen zusammen.

Wir verfolgen mit Nachdruck die Einführung einer Registrierungspflicht, den verpflichtenden Einbau manipulationssicherer Technologien für die Nachverfolgbarkeit und die Begrenzung der Bewegungsfreiheit von Drohnen in sicherheitsrelevanten Gebieten.

Beschäftigung sichern und ausbauen

Wir wollen Klimaschutz, neue Mobilität, Digitalisierung und Globalisierung mit Bund, Ländern, Unternehmen und Beschäftigten gestalten. Die Unternehmen fördern die Beteiligung der Belegschaften, um Innovationspotenziale in allen Bereichen zu heben. Die Unternehmen geben ihren Beschäftigten Sicherheit im Wandel und Mitbestimmung in der Bewältigung der neuen Herausforderungen.

Bund, Länder, Verbände und Sozialpartner entwickeln geeignete Wege und Instrumente zur Absicherung fairer Wettbewerbsbedingungen. Wir sorgen für die Einhaltung von Tarifverträgen und von geltenden Qualitäts-, Arbeits- und Sozialbedingungen sowie Sicherheitsvorschriften. Bei der öffentlichen Förderung von Forschung und technologischer Entwicklung gilt: Diese muss der Wertschöpfung und den Arbeitsplätzen im europäischen Wirtschaftsraum zugutekommen.

Wir setzen hohe Arbeits- und Sozialstandards in der Luftfahrtverkehrswirtschaft im Inland und unterstützen hohe Standards in der Europäischen Union und auf internationaler Ebene. Wir sichern Arbeitsplätze und Standorte in Deutschland; einer Verlagerung in Billiglohnländern erteilen wir eine Absage. Die Unternehmen entwickeln zukunftsfähige Standort- und Personalkonzepte und investieren in Zukunftsarbeitsplätze. Die Sozialpartner werden die Aus- und Weiterbildung sowie die gezielte Personalentwicklung mit Blick auf neue Technologien und neue Materialien ausbauen und weiterentwickeln.

Neue Märkte und neue Geschäftsmodelle

Der Wettbewerb im internationalen Luftverkehr hat sich in den vergangenen Jahren drastisch verschärft. Bund, Länder, Unternehmen, Verbände und Sozialpartner wollen geeignete Wege und Instrumente zur Absicherung gleicher und fairer Wettbewerbsbedingungen auf internationaler Ebene entwickeln. Mit diesem Ziel soll der internationale Luftverkehr weiterentwickelt und gleichzeitig eine wettbewerbsverzerrende Belastung vermieden werden.

Die regionalen Wachstumsmärkte verlagern sich zunehmend in Schwellenländer. Parallel internationalisieren sich auch in den etablierten Luftfahrtnationen die industriellen Zulieferketten. Eine konsequente Internationalisierung des Luftfahrtindustriestandorts Deutschland bietet daher die Chance, am internationalen Wachstum teilzuhaben und damit zugleich zusätzliche Wertschöpfung, Beschäftigung und neue technologische Kompetenzen und Systemfähigkeiten aufzubauen.

Schon heute sind Zulieferer aus Deutschland an allen aktuellen kommerziellen Flugzeugprogrammen weltweit beteiligt. Dies ist auch Ergebnis einer anwendungsnahen Zusammenarbeit mit einer exzellenten und weltweit einmaligen Forschungslandschaft. Wir halten dabei an dem Ziel der Luftfahrtstrategie fest, die internationale Ausrichtung der deutschen Luftfahrtzulieferer weiter zu stärken.

Wir betonen die Notwendigkeit, das bestehende Markterschließungsprogramm der Bundesregierung fortzusetzen und die bestehenden Instrumente der Forschungs- und Entwicklungsförderung weiterhin konsequent international auszurichten.

Die bestehenden Nachtflugbeschränkungen sind eine wichtige Voraussetzung für die Akzeptanz des Luftverkehrs. Zur Verhinderung von Wettbewerbsnachteilen und zur Wahrung der internationalen Konnektivität müssen an bestimmten Standorten die Betriebszeiten aber auch den 24-Stundenbetrieb umfassen.

Die deutsche Wirtschaft benötigt einen wettbewerbsfähigen Luftverkehrsstandort Deutschland mit starken deutschen Luftverkehrsgesellschaften, Flughäfen und einer starken Flugsicherung.

Luftverkehrsverbindungen aus Deutschland zu wichtigen Absatz- und Zuliefermärkten in aller Welt sind hier ein sehr wichtiger Faktor. Das polyzentrische Flughafensystem in Deutschland hat sich über Jahrzehnte entwickelt und bewährt.

Bundes- und Landesregierungen, Luftfahrt und Gewerkschaften sind sich Ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst und werden gemeinsam die aktuellen Herausforderungen in den Bereichen Umwelt-, Lärm- und Klimaschutz, neue innovative Technologien und faire Wettbewerbsbedingungen angehen und meistern.

Leipzig, den 21. August 2019

Peter Altmaier, Bundesminister für Wirtschaft und Energie

Andreas Scheuer, Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur

Michael Kretschmer, Ministerpräsident des Freistaates Sachsen

Kristina Vogt, Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa und Vorsitzende der Wirtschaftsministerkonferenz

Tarek Al-Wazir, Staatsminister und stellvertretender Ministerpräsident i. V. für die Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz

Prof. Klaus-Dieter Scheurle, Präsident Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft e.V.

Dr. Klaus Richter, Präsident Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie e.V.

Jörg Hofmann
, 1. Vorsitzender der IG Metall

Christine Behle, ver.di – Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft, Mitglied des Bundesvorstands

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